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Luis aus Flensburg: Mit neun Monaten Diagnose Krebs - es ging um Leben und Tod

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Nicht nur die finanziellen Sorgen drücken, sondern auch wie es weiter geht - Fotos: Thomsen

Flensburg - Wie ein kleiner Junge aus Flensburg schwer erkrankt – und wie seine Familie trotz Angst, Unsicherheit und Chemotherapie ihre Hoffnung nicht verliert.

„Ich hätte nie damit gerechnet. Spucken – das war alles.“
Steffi, Mutter von Luis

Ein Arzt hört nicht weg – und rettet damit vielleicht ein Leben

Es ist ein ganz normaler Herbsttag, als Steffi, Mutter von zwei Söhnen, zum wiederholten Mal feststellt: Irgendetwas stimmt mit dem kleinen Luis nicht. Mal isst er, mal nicht. Er wirkt schlapp, beginnt plötzlich, sich zu übergeben – wieder und wieder.

"Ich dachte an Magen-Darm", erinnert sich die 37-Jährige. "Unser Großer hatte auch so eine Phase in dem Alter." Luis ist damals neun Monate alt. Als die Symptome jedoch nicht aufhören, fährt Steffi mit ihm in die Notfallpraxis der Diako in Flensburg.

Was dort folgt, ist kein typischer Klinikalltag – sondern medizinischer Spürsinn. Der untersuchende Arzt bemerkte bei Luis einen vergrößerten Kopf. Steffi erklärt noch, dass „große Köpfe in der Familie liegen“, dennoch bleibt das Team der Kinderklinik skeptisch. Ein Arzt besteht auf eine Untersuchung des Kopfumfangs – dann auf ein MRT.

Diese Hartnäckigkeit rettet vielleicht das Leben von Luis.

Die erschütternde Diagnose: Hirntumor im Kleinhirn

Noch in derselben Woche wird klar: Luis hat einen Tumor – nicht irgendeinen. Ein embryonaler Tumor vom WHO-Grad 3, aggressiv, nicht umkapselt, wuchernd wie ein Blumenkohl.

„Die Fontanelle war noch offen – dadurch konnte sich das Hirnwasser zunächst ausdehnen. Das hat wohl verhindert, dass wir es früher gemerkt haben“, sagt Steffi. „Ich hatte keine Ahnung, wie nah wir an einer Katastrophe waren.“

Luis wird noch am morgen, im November 2024, mit dem Rettungswagen in die Uniklinik Kiel gebracht. Dort warten bereits Neurochirurgen, Psychologen, Pflegekräfte. Es ist der Beginn eines Albtraums – aber auch der Beginn eines medizinischen Marathons, den Luis erstaunlich tapfer meistert.
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Was ist ein Ependymom?

Ein Ependymom ist ein seltener, bösartiger Tumor des zentralen Nervensystems. Er entsteht in Zellen, die die Hirnkammern und den Rückenmarkskanal auskleiden. Bei Kindern tritt er oft im Kleinhirn auf und kann den Abfluss des Hirnwassers blockieren. Die Folge: steigendem Hirndruck, Erbrechen, Vergrößerung des Kopfumfangs.
Behandlung: Operation, Chemotherapie und – bei Kindern wie Luis – eine Protonentherapie, die gezielt wirkt und das umliegende Gewebe schont.

Quelle: www.wpe-uk.de

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„Er hat 80 Prozent des Tumors überlebt. Jetzt kämpfen wir um den Rest"
Finn, Vater von Luis

Operation, Chemo, Bestrahlung: Ein Weg ohne Garantien

Zunächst wird das gefährlich angestaute Hirnwasser durch eine Notoperation abgeleitet. Dann – nur zwei Tage später – folgt die große OP. Acht Stunden bangen Steffi und Finn, während Chirurgen im Kleinhirn ihres Sohnes millimetergenau operieren.

„Es war wie ein Film. Du funktionierst einfach“, erinnert sich Finn, 38 Jahre alt und Soldat bei der Bundeswehr. "Die Ärzte entfernen fast den gesamten Tumor. " 99,8 % sind entfernt," erklärt Finn.  Eine beachtliche Leistung – doch die Unsicherheit bleibt. Restzellen könnten geblieben sein. Zellen, die nicht sichtbar sind. "Das ist normal, da bei so einem kleinen Körper nicht alles sichtbar ist," erläutert Finn. Die Chemotherapie begann zwei Wochen nach dem Eingriff.

Doch auch sie ist nicht das Ende: Im Mai steht in Essen die Protonentherapie an – ein hochspezialisiertes Verfahren, bei dem Luis sechs Wochen lang täglich bestrahlt wird. Für den Jungen bedeutet das: Narkose, täglich, wochenlang. Für die Familie: erneuter Umzug, Isolation, Ungewissheit.

Große Herausforderungen für einen kleinen Jungen

Luis ist heute etwas über ein Jahr alt. Laufen oder Krabbeln kann er noch nicht. Im Vergleich zu seinem älteren Bruder Henry liegt er grobmotorisch drei bis vier Monate zurück – kein Wunder nach dieser Odyssee. „Aber er lacht, spielt, zeigt uns, was er möchte“, sagt Steffi. Die Familie arbeitet eng mit der Physiotherapeutin Rike von der Physiotherapie Gartenstadt zusammen.

„Rike ist ein Segen. Sie hilft uns nicht nur körperlich, sondern auch seelisch, wieder Vertrauen zu fassen“, erzählt Steffi. Der medizinische Fortschritt ist messbar – doch vor allem ist es der Alltag, der Mut macht.

Wenn Freunde Familie sind: Hilfe durch Kameradschaft

Mitten im Chaos meldet sich Marcel. Ein Freund und Kamerad von Finn aus der Bundeswehrzeit. Die beiden dienen seit 2018 gemeinsam in Stadum. Marcel erfährt während eines Lehrgangs im Herbst 2024 telefonisch von der Erkrankung.

„Ich war fassungslos. Noch während des Gesprächs wusste ich: Ich muss etwas tun“, erzählt er.

Schnell ist die Idee einer GoFundMe-Kampagne geboren. Er fragt Finn nach Erlaubnis, stellt Bilder online – und plötzlich geht alles ganz schnell. Hunderte Menschen spenden. Innerhalb kürzester Zeit kommt ein fünfstelliger Betrag zusammen.

„Geld heilt keinen Krebs“, sagt Marcel. „Aber es kann dafür sorgen, dass eine Familie in der schwersten Zeit nicht auch noch an die Tankrechnung denken muss.“

„Jeder Cent hilft. Nicht, weil er heilt – sondern weil er entlastet.“
Marcel, Initiator der Spendenaktion

Zur Spendenseite


Zwischen Therapie und Kita: Alltag als Ausnahmezustand

Der Alltag der Familie ist minutiös getaktet. Luis muss mehrmals wöchentlich zur Blutkontrolle, erhält Medikamente gegen Übelkeit, Antibiotika zur Vorbeugung. Schon kleinste Infekte können für ihn lebensbedrohlich sein. Kontakte werden reduziert, selbst Besuche müssen oft abgesagt werden.

Und trotzdem: Bruder Henry soll ein möglichst normales Leben führen. Kita, Vorschule, Freunde – all das bleibt wichtig. Die Eltern wechseln sich ab. Einer ist in der Klinik, der andere bei Henry. „Wenn wir mit ihm Zeit verbringen, dann mit voller Aufmerksamkeit“, sagt Finn.

Ein unfertiges Badezimmer – und ein Alltag auf Pause

Eigentlich hatte die Familie ein anderes Jahr geplant. Sie hatten gerade den Anbau im Obergeschoss fertiggestellt. Ein neues Schlafzimmer, ein eigenes Bad – endlich genug Platz für alle. Doch das Bad ist bis heute nicht fertig.

„Die Fliesen liegen seit Monaten da oben“, sagt Finn. „Aber wann sollen wir das machen?“

Wenn sie mal zu Hause sind, dann brauchen sie Zeit zum Durchatmen. Statt Fliesen zu verlegen, sitzen sie auf dem Sofa, trinken Kaffee, spielen mit Henry. „Früher hab ich solche Dinge sofort erledigt. Jetzt merk ich: Meine Energie geht woanders hin“, sagt Steffi.

Finn bringt es auf den Punkt:

„Früher dachte ich, ich lieg mit meinen zwei Kindern auf Mallorca am Strand. Jetzt kämpfen wir in Kiel ums Überleben.“

Dankbarkeit – in einer Zeit der Ohnmacht

Die Familie möchte sich ausdrücklich bedanken bei der Feuerwehr Flensburg, dem gesamten Team der Diako-Klinik, der Kinderonkologie und Kinderintensivstation der UKSH Kiel, dem psychosozialen Dienst des UKSH, beim Förderverein für krebskranke Kinder Kiel, bei ihrer Physiotherapeutin Rike, ihren Freunden, Familien und allen Spenderinnen und Spendern. Aber auch einen besonderen Dank an die Kindertagesstätte Kapernaum, in der Henry geht. So waren sie immer flexibel und haben sehr viel Unterstützt.

„Ohne diese Menschen wären wir heute nicht da, wo wir sind“, sagt Steffi. „Es gibt keinen besseren Beweis dafür, wie viel Menschlichkeit noch existiert.“

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