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Lebenslange Haft für Angeklagten im „A7-Verfahren“

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Die Tat ist juristisch als versuchter, nicht aber als vollendeter Mord einzustufen gewesen - Archivfoto: Sebastian Iwersen

Flensburg / Lürschau - Die I. Große Strafkammer des Landgericht Flensburg hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes aus sonstigen niedrigen Beweggründen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Kammer hat die Überzeugung gewonnen, der heute 36 Jahre alte Angeklagte habe aus Rache für den durch Gewalttätigkeiten selbst verursachten Verlust des Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder und die Trennungsabsichten der Geschädigten beschlossen gehabt, seine Ehefrau zu töten, um seine gekränkte Ehre wiederherzustellen.

In den frühen Morgenstunden des 20.11.2021 habe er seiner damals 32 Jahre alten Ehefrau noch in Flensburg, auf dem Parkplatz „Exe“ diverse Messerstiche beigebracht, um sie zu töten. Anschließend sei er mit ihr, die schwer verletzt auf dem Beifahrersitz in einem PKW gesessen habe, auf die A7 in Richtung Hamburg gefahren. Die Beweggründe des Angeklagten hierfür seien nicht sicher aufklärbar gewesen. Die Kammer geht davon aus, dass der Angeklagte Angst vor Entdeckung gehabt, seine Ehefrau bereits für tot gehalten oder geplant habe, seine Tat an einem anderen Ort zu Ende zu bringen. Die Geschädigte habe sich in Sicherheit bringen wollen und sei, da sie während der Fahrt nicht habe aussteigen können, auf die Rückbank geflüchtet. Auf Höhe des Ortes Lürschau habe der Angeklagte den PKW gegen 5:13 Uhr auf dem Standstreifen angehalten und ihr weitere Messerstiche beigebracht. In Panik sei sie auf die Fahrbahn geflüchtet, dort von einem LKW erfasst und aufgrund der schweren unfallbedingten Verletzungen noch vor Ort verstorben.
Der ursprüngliche Anklagevorwurf, der Angeklagte habe sämtliche Messerstiche erst nach dem Abstellen des PKW auf dem Standstreifen der Autobahn ausgeführt, hat sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Die Kammer hat – sachverständig beraten und unter Würdigung sämtlicher Indizien – feststellen können, dass die diversen Stichverletzungen der Getöteten mit einem zeitlichen Abstand von etwa 20 Minuten verursacht worden sind. Es sei nicht einleuchtend, dass der Angeklagte – auffällig – über 20 Minuten auf dem Standstreifen der Autobahn gestanden und zwischen den Stichen solange abgewartet hab.
Die Tat ist juristisch als versuchter, nicht aber als vollendeter Mord einzustufen gewesen. Eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes kann immer nur dann erfolgen, wenn ein Täter
Vorsatz hinsichtlich der konkreten zum Tod führenden Tathandlung hat. Die Kammer ist davon überzeugt gewesen, der Angeklagte habe die Geschädigte durch Messerstiche töten wollen. Dazu sei es letztlich nicht mehr gekommen, weil die Geschädigte zuvor überfahren worden sei.

Gleichwohl hat die Kammer den Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Strafgesetzbuch sieht vor (§ 23 Abs. 2 StGB), dass eine versuchte Tat milder bestraft werden kann als eine vollendete. Von dieser Möglichkeit zur Strafmilderung hat die Kammer hier keinen Gebrauch gemacht. Der Angeklagte habe mit Tötungsabsicht gehandelt.
Er habe vierzig- bis siebzigmal auf sie eingestochen und dabei vierzigmal getroffen, im Wesentlichen den Kopf und Oberkörper der Geschädigten. Seinen Angriff habe er nur deshalb nicht fortsetzen können, weil er die Reaktion der Geschädigten, den Fluchtversuch, der letztlich zu ihrem Tod geführt hat, hervorgerufen habe.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer den in der Anklageschrift zugrunde gelegten Sachverhalt für bewiesen erachtet und eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes aus sonstigen niedrigen Beweggründen gefordert. Entsprechend hatte sie auf die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe angetragen.

Der Vertreter der Nebenklage hatte ebenfalls eine Verurteilung wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe gefordert. Zusätzlich zu sonstigen niedrigen Beweggründen sei das Merkmal der Heimtücke gegeben. Die Geschädigte sei durch den Angriff völlig überrascht worden. Weiter hatte der Nebenklagevertreter die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld beantragt.
Die Verteidiger hatten ausgeführt, es gebe keine Beweismittel für das unmittelbare  Tatgeschehen. Nach Würdigung der vorhandenen Indizien bestünden durchgreifende Zweifel an einer Täterschaft, einem Tatmotiv und einer Schuldfähigkeit des Angeklagten. Wenn der Angeklagte verurteilt werde, könne das allenfalls wegen einer gefährlichen Körperverletzung erfolgen. Dann solle eine Strafe von nicht mehr als fünf Jahren verhängt werden. Der Angeklagte sei wegen Drogeneinflusses und wegen Affekts vermindert schuldfähig gewesen. Von einem etwaigen Totschlagsversuch sei der Angeklagte jedenfalls strafbefreiend zurückgetreten.
Das Verfahren ist mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen. Die Hauptverhandlung hat am 16. Mai 2022 begonnen. Seitdem haben – einschließlich des heutigen Termins – insgesamt 70 Verhandlungstage stattgefunden. Komplex ist das Verfahren unter anderem deswegen gewesen, weil Auslandsbezug zu verschiedenen Staaten bestanden hat. So waren etwa Zeugen aus Dänemark und Syrien zu vernehmen. Um die gebotene Aufklärung vorzunehmen hat die Kammer insgesamt ca. 100 Zeugen, einige davon mehrtägig, vernommen und fünf Sachverständigengutachten eingeholt (zwei rechtsmedizinische, ein forensisch-psychiatrisches, ein toxikologisches und ein Gutachten zur Unfallrekonstruktion).

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