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FLENSBURGER GESCHICHTSZAHL DER WOCHE - 76 Jahre Kriegsende

Welt/Flensburg - Nach Hitlers Suizid Ende April löst Flensburg Berlin als Reichshauptstadt ab, die Marineschule in Mürwik wird zum Sitz der letzten Reichsregierung. Foto: Himmler/Bundesarchiv - Marineschule/Thomsen

Am 8. Mai 1945 steht SS-Reichsführer Heinrich Himmler in Kollerup bei Flensburg vor einem Spiegel und rasiert sich den winzigen gestutzten Oberlippenbart ab, den er sich Jahre zuvor beim Führer Adolf Hitler abgeguckt hat. Was für Gedanken mögen ihm dabei durch den Kopf geschossen sein? Was hat er in diesem Moment gefühlt? Trauer oder Erleichterung? Wehmut? Oder panische Angst? Wir werden es wohl nie erfahren.

Für ihn ist die Trennung von diesem borstigen Zeichen der Loyalität notwendig, ja, sogar überlebenswichtig. Das markante Bärtchen ist weltbekannt. Nur mit kahler Oberlippe hat er eine hauchdünne Chance, mit neuer Identität in der Masse einfacher Soldaten unterzugehen. Im Polizeipräsidium Flensburg an den Norderhofenden hat er eine schlichte Uniform erhalten und ist von nun an der Feld-Gendarm Heinrich Hitzinger.

uch andere ehemaligen SS-Größen versuchen mit einer neuen Identität, den Konsequenzen ihrer verabscheuungswürdigen Taten aus dem Weg zu gehen. Ein anderes Beispiel ist Rudolf Höß, seines Zeichens KZ-Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz. Er schlüpft in die unauffällige Rolle des Marine-Maat Franz Lang, und verbirgt sich auf einem Bauernhof in Gottrupel. Er schläft gerade in der Knechtekammer, als britische Nazijäger ihn an einem frühen Morgen im März 1945 entlarven und anhand der Gravur in seinem Ehering überführen. Einen Monat später wird er vor seiner einstigen Kommandanten-Villa in Auschwitz aufgehängt – mit Blick auf die Gaskammern.

Viele SS-Verbrecher kamen im Frühjahr ‘45 nach Flensburg, denn der Norden ist noch nicht von Alliierten besetzt. Zudem ist die Grenze nach Dänemark nah, und die Stadt weniger zerstört als viele andere.

Nach Hitlers Suizid Ende April löst Flensburg Berlin als Reichshauptstadt ab, die Marineschule in Mürwik wird zum Sitz der letzten Reichsregierung. Generalfeldmarschall Karl Dönitz avanciert zum Führer-Nachfolger. Am Morgen jenes Tages, an dem Himmler sich das Bärtchen abrasiert, lobt Dönitz über den Volksempfänger den Durchhaltewillen der Deutschen und verneigt sich vor der Tapferkeit der Soldaten.  

Himmler ist alles andere als tapfer. Mit nur wenigen Getreuen zieht es ihn als ‚Heinrich Hitzinger‘ gen Süden. Doch seine Maskerade fliegt auf. Am 20. Mai wird er bei einer Kontrolle in Lüneburg enttarnt, weil seine Papiere zu neu aussehen und dadurch auffallen. Das Spiel ist endgültig aus, er wird verhaftet.

Himmler hat jedoch noch ein As im Ärmel. Drei Tage später, während in Flensburg die Nazi-Verbrecher Dönitz, Speer und Jodl der Weltpresse als Gefangene vorgeführt werden, zerbeißt der ehemalige Reichsführer SS eine Zyanid-Kapsel, die er in einem Zahn versteckt hatte, und entgeht so seiner gerechten Strafe. Ein Feigling bis zuletzt.

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