Autonome Busse für Flensburg: Das neue Klinikum als Motor der Verkehrswende

 |  von Thomsen / Foerde.news

Christian Soffel von der VerkehrsConsult Dresden-Berlin vor einem KI geniertem Bild mit Autonomen Bussen und des FKK-Hospital im Hintergrund - Fotos: Thomsen

Flensburg – Es sind noch etwas mehr als 1.900 Tage, bis auf den Feldern vor den Toren Flensburgs ein Bauwerk eröffnet werden soll, das nicht weniger als einen Aufbruch für die ganze Region markieren könnte: das neue Fördeklinikum Katharinen-Hospital (FKK-Hospital). Doch während die Bagger noch ruhen, ist in der Stadt längst eine andere Debatte entbrannt – über den Nahverkehr der Zukunft, und über Quartiere, die bislang im Schatten der Innenstadt standen: Westliche Höhe, Tremmerup und das Klinikum selbst werden zum Kristallisationspunkt für Innovationen, Herausforderungen – und große Erwartungen.

Die Stunde der Außenquartiere

„Die Stunde der Quartiere schlägt jetzt“, sagt Paul Hemkentokrax, Geschäftsführer von Aktiv Bus Flensburg, gleich zu Beginn der jüngsten Diskussionsrunde. „Was wir rund um das Klinikum planen, strahlt auf die ganze Stadt aus.“ In der Tat stehen mit Westliche Höhe und Tremmerup zwei Stadtteile im Fokus, die bislang verkehrlich an der Peripherie lagen. Hier, so die einhellige Meinung der Experten, könnten autonome Busse ihre größte Wirkung entfalten: als flexible Zubringer, als Bindeglied zwischen alter und neuer Stadtstruktur.

Die Herausforderungen sind klar umrissen: „Klassische Gelenkbusse stoßen in den engen Straßen der Westlichen Höhe regelmäßig an ihre Grenzen“, erläutert Linus Petersen von Aktiv Bus. „Ein autonomer Kleinbus kann ganz andere Lücken schließen.“ Und Tremmerup? Dort sei es die Anbindung an zentrale Linien, die bislang ein Nadelöhr bilde. Für viele Bewohner sei der abendliche Weg in die Innenstadt noch immer ein Geduldsspiel – oder gar unmöglich.

Das Klinikum als Katalysator

Im Mittelpunkt der Planungen aber steht das neue FKK-Hospital, dessen Eröffnung nicht nur einen medizinischen Quantensprung verspricht, sondern auch das Verkehrssystem vor neue Aufgaben stellt. Christian Soffel von der VerkehrsConsult Dresden-Berlin spricht von einer „einmaligen Laborfläche für moderne Mobilität“. Er rechnet vor: „Schon in wenigen Jahren werden täglich mehrere tausend Fahrten rund um das Klinikum stattfinden. Viele davon beginnen nicht in der Innenstadt, sondern in den angrenzenden Quartieren – Westliche Höhe, Tremmerup, den wachsenden Neubaugebieten.“

Die Stadt, so Soffel, habe jetzt die Chance, von Anfang an nicht nur an klassische Fahrpläne, sondern an digitale und flexible Lösungen zu denken: On-Demand-Shuttles, die auf Knopfdruck bestellt werden; autonome Fahrzeuge, die auf den ersten und letzten Metern den Anschluss an den Linienverkehr sichern. „Es wäre ein Fehler, das Verkehrskonzept von gestern auf den Campus von morgen zu übertragen.“

Wettlauf gegen die Zeit

Die Dimension der Herausforderung zeigt sich beim Blick auf den Kalender. Während andernorts jahrelang über Pilotprojekte diskutiert wird, läuft in Flensburg längst ein Countdown. Die Uhr tickt – bis zur geplanten Inbetriebnahme des Klinikums 2030 sind es weniger als 2.000 Tage. Für Paul Hemkentokrax ist das „in der Verkehrsplanung ein Wimpernschlag“. Erste Versuche mit autonomen Kleinbussen müssten schon jetzt in den Quartieren starten, um rechtzeitig Erfahrungen zu sammeln, Technik und Akzeptanz zu testen. „Wer erst nach der Klinikumseröffnung beginnt, hat den Anschluss verloren.“

Blick nach außen – und auf die Gesellschaft

Die Technik, das wurde in der Diskussionsrunde deutlich, ist längst nicht das einzige Hindernis. Sven Paeslack vom Kraftfahrtbundesamt spricht von noch fehlenden Zulassungen auf nationaler Ebene, während Jan Brandstetter vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen auf das internationale Wettrennen verweist: „San Francisco fährt schon heute nachts autonom – Deutschland ist noch im Testlabor.“ Ohne entschlossene Modellregionen und massive Investitionen werde Europa abgehängt, mahnt er.

Doch nicht nur Technik und Kapital sind gefragt. Andreas Schackert von der Gewerkschaft ver.di verweist auf soziale Fragen, die oft zu kurz kommen: Wer sorgt nachts für Sicherheit im Bus, wenn kein Fahrer mehr vorne sitzt? Wer betreut die wachsende IT? „Die Verkehrswende braucht nicht nur Ingenieure, sondern auch Sozialpolitiker.“

Mut zur Entscheidung – und offene Fragen

Die Erwartungen an die Stadtpolitik sind hoch. „Wer Flensburg zum Vorreiter machen will, muss bereit sein, zu investieren“, sagt Hemkentokrax. „Sonst bleibt der große Wurf am Ende ein Lippenbekenntnis.“ Der Ball liegt nun bei Stadtverwaltung und Kommunalpolitik – und bei den Bürgern in Westlicher Höhe, Tremmerup und rund ums Klinikum, die nicht länger Zuschauer, sondern Mitgestalter werden sollen.

Am Ende bleibt vor allem eines: ein offener Dialog, eine Einladung zum Mitdenken – und ein Wettlauf mit der Zeit. Die Uhr läuft. Flensburg hat die Chance, nicht nur ein Krankenhaus der Zukunft, sondern auch einen Nahverkehr der Zukunft zu bauen. Ob es gelingt? Die Antwort fällt in den Quartieren – und sie fällt jetzt.